Valued-based Healthcare: Definition und Ziele
Bessere Behandlungsqualität, geringere Kosten und eine effizientere Versorgung: Das sind die Ziele von Value-based Healthcare. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept? Welche Vorteile bietet es für Patient*innen und welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Umsetzung gegeben sein? Wir erklären den VBHC-Ansatz im Detail.
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In diesem Beitrag:
Was ist Value-based Healthcare?
Das deutsche Gesundheitssystem strebt danach, einen ausgewogenen Weg zwischen der Bereitstellung hochwirksamer Behandlungen und der effizienten Nutzung der verfügbaren Ressourcen zu finden. Der Wunsch der Patient*innen nach bestmöglicher Versorgung führt zu einer wachsenden Nachfrage nach medizinischen Leistungen, während die personellen und finanziellen Mittel begrenzt sind.
Eine steigende Anzahl älterer Menschen, oft mit chronischen Erkrankungen, beansprucht die Ressourcen intensiver, was zu steigenden Kosten sowie Personalknappheit führt und damit die erwerbstätige Bevölkerung vor Herausforderungen stellt
Umso wichtiger ist es, die bestehenden Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, um Patient*innen einen hohen, auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Versorgungsstandard zu gewährleisten.
Genau diesen Ansatz verfolgt die werteorientierte Gesundheitsversorgung, Value-based Healthcare (VBHC). Dabei handelt es sich um ein Konzept, das erstmals im Jahr 2006 vom amerikanischen Ökonom Michael Porter so definiert wurde. Stehen beim aktuellen deutschen Gesundheitssystem häufig Ärzt*innen, medizinische Leistungen sowie deren Erstattung im Mittelpunkt, rückt Value-based Healthcare Patient*innen und ihre individuellen Bedürfnisse in den Fokus.
Gleichung der VBHC
Das zentrale Element: eine messbare Behandlungsqualität, der sogenannte Patientenwert (engl.: value). Um diesen zu messen, stellt Porter folgende Gleichung auf:
Patientenwert=Gesundheitsergebnis/Kosten
- Das Gesundheitsergebnis (engl. outcome) beschreibt die Ergebnisqualität aus Sicht der Patient*innen.
- Die Kosten (engl. costs) umfassen alle zur Behandlung erforderlichen monetären Beträge, die für das Erreichen des Gesundheitsergebnisses notwendig sind.
- Der Patientenwert (engl. value) bezeichnet das Verhältnis der gemessenen Verbesserung der Gesundheit eines Patienten im Verhältnis zu den aufgewendeten Kosten.
Nach dem VBHC-Ansatz sollen sich sämtliche Anstrengungen aller Akteure im Gesundheitssystem strikt am Wohl der Patient*innen und dem bestmöglichen „outcome“ orientieren:
- Welche individuellen Behandlungsziele sollen erreicht werden?
- Welchen Mehrwert bieten die angestrebten Therapiemaßnahmen für den Patienten?
- Wie lässt sich der maximale „outcome“ möglichst kostengünstig erreichen?
Während das aktuelle Gesundheitssystem die Behandlungsqualität primär anhand einzelner Faktoren (z.B. Kosten oder Mortalitätsraten) beurteilt, geht VBHC ganzheitlich vor (Ergebnis, Kosten und Patientenwert). Ziel von Value-based Healthcare ist ein nachhaltig leistungsfähiges und finanzierbares Gesundheitssystem, dessen Potenzial im Sinne der Patient*innen bestmöglich ausgeschöpft wird.
VBHC: Welche Vorteile bietet es Patient*innen?
- Value-based Healthcare (VBHC) bindet Patient*innen direkt in die Behandlung ein, indem sie mitbestimmen können, welche Behandlungsziele erreicht werden sollen. Dabei werden die Behandlungsergebnisse regelmäßig gemessen. Patient*innen bewerten ihren Gesundheitszustand vor, während und nach der Behandlung, wodurch die Behandlung individuell angepasst und gezielt auf den Therapieerfolg ausgerichtet werden kann.
- Ein weiterer Bestandteil von VBHC ist die qualitätsorientierte Vergütung. Anbieter von medizinischen Produkten und Dienstleistungen erhalten ihre volle Bezahlung nur, wenn Patient*innen zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Methode behandelt werden. Dies soll die Behandlungsqualität steigern und zu besseren Gesundheitsergebnissen führen.
- Ärzt*innen aus verschiedenen Fachrichtungen arbeiten bei VBHC interdisziplinär zusammen und Anbieter von medizinischen Produkten bzw. Dienstleistungen werden stärker in die Therapie eingebunden. Dies kann den Patientenwert einer Therapie im Vergleich zu standardisierten Behandlungen deutlich verbessern.
- Ein weiterer Vorteil von VBHC ist die Förderung der ambulanten Versorgung. Patient*innen sollen, wann immer möglich, außerhalb des Krankenhausumfeldes behandelt werden, z.B. durch Homecare. Dies steigert das persönliche Wohlbefinden der Patient*innen und fördert den Heilungsprozess.
Was bedeutet eine kontinuierliche Kosten- und Outcome Messung?
Um eine objektive und fundierte Bewertung einer Therapie zu gewährleisten, erfolgt im Rahmen von Value-based Healthcare eine kontinuierliche Kosten- und Outcome-Messung. Diese soll die Qualität der Behandlung sowie den Therapieerfolg systematisch in Echtzeit evaluieren.
Dabei werden zunächst PROMs (Patient-Reported Outcome Measures) über standardisierte Fragebögen erfasst. PROMs erfassen aus der eigenen Perspektive der Patient*innen, wie sich Gesundheitszustände und medizinische Interventionen auf ihre Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und ihr Wohlbefinden auswirken. Diese lassen Rückschlüsse zu den direkten Resultaten der Behandlung aus Patientensicht zu.
Daneben werden über sogenannte PREMs (Patient Reported Experience Measures) Informationen über die Patientenerfahrung in Bezug auf die Behandlung gesammelt. Dazu zählen beispielsweise die Bewertung der persönlichen Beziehung zwischen Patient*innen und medizinischem Team sowie die Qualität der Pflege.
PROMs und PREMs werden anschließend ins Verhältnis zu den entstandenen Behandlungskosten gesetzt. Dabei sind die Gesamtkosten aller Prozeduren – inklusive Management, Komplikationen und Behandlungsfehlern – zu berücksichtigen.
Das Ergebnis ist die Qualität der Behandlung pro eingesetztem Euro. Eine solche Messung schafft nach Porter eine Vergleichbarkeit und somit einen Wettbewerb zwischen einzelnen Anbietern. Die daraus resultierende höhere Versorgungsqualität soll die Kosten für das Gesundheitssystem reduzieren. Denn: Nachhaltig gesunde Patient*innen benötigen weniger teure Folgeeingriffe, weniger Anschlusspflege und weniger Medikamente.
Value-based Healthcare: Wie sieht die aktuelle Gesundheitsversorgung aus?
In den letzten Jahren haben hohe und steigende Kosten im deutschen Gesundheitssystem zu einem stärkeren ökonomischen Denken in Krankenhäusern geführt. Laut Porter wird die finanzielle Rentabilität einer Behandlung zunehmend wichtiger, was zu einer starken Nutzung abrechenbarer Maßnahmen führt – ohne merklich bessere Ergebnisse. Outcomes werden oft generalisiert anhand von Komplikations- und Sterberaten definiert, während die Perspektive der Patient*innen außen vor bleibt.
Porter kritisiert zudem die Fragmentierung des deutschen Gesundheitswesens. Kleine Krankenhäuser und viele niedergelassene Spezialisten ohne ausreichende Vernetzung erschweren optimale Behandlungen. Die Organisation erfolgt um Fachbereiche, nicht um Patient*innen, was weite Wege, lange Wartezeiten und erhöhten bürokratischen Aufwand verursacht.
Angesichts der demografischen Entwicklung kommt es jedoch zu einem Umdenken, wobei einige Anbieter*innen als Vorreiter agieren und die Patientenzufriedenheit stärker in den Fokus rücken.
Welche Voraussetzungen benötigt VBHC?
Laut Porter können sogenannte IPUs (Integrated Practice Units) Abhilfe schaffen. Dabei handelt es sich um interdisziplinäre Zentren mit dazu gehörigen externen Standorten. Hier sollen alle zur Versorgung einer Krankheit notwendigen Spezialisten gebündelt und vernetzt sein.
Ärztliches Fachpersonal widmet sich dabei ausschließlich einer bestimmten Patientengruppe und entwickelt zeitnah eine hohe Expertise für die jeweilige Krankheit. Diese kann dann – in Kooperation mit auswärtigen Einrichtungen – mehr Patient*innen zugutekommen. Die Folge sind höhere Patientenvolumina und dank der optimierten Kompetenz bessere Outcomes und mehr Patientenwert.
Als Basis des VBHC-Ansatzes ist außerdem eine einheitliche IT-Infrastruktur notwendig. Denn Value-based Healthcare sieht zum einen eine zentrale Patientendokumentation sowie einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten vor, zum anderen müssen die im Rahmen der Kosten-Outcome-Messung erhobenen Daten verglichen werden können. All das ist nur möglich, sofern eine passende digitale Plattform zur Verfügung steht.
Beispiel einer erfolgreichen IPU: Die Martini-Klinik
Ein Beispiel für eine solche IPU ist die Martini-Klinik in Hamburg. Das größte Prostata-Zentrum der Welt weist im Vergleich zum deutschen Durchschnitt deutlich bessere Behandlungsergebnisse auf. So lag die volle Kontinenz der behandelten Patient*innen bei 93,5 Prozent, der deutsche Durchschnitt beträgt 56,7 Prozent
Von Bedeutung für eine optimale Therapie in IPUs ist auch die Überweisung dorthin. Letztere erfordert eine korrekte Indikationsstellung durch den Erstversorger. Bei Zweifeln sollen kleine, örtliche Gesundheitsversorger jederzeit Spezialisten zu Rate ziehen können. Um dies zu gewährleisten, regt Porter Partnerschaften zwischen regionalen Krankenhäusern und großen, überregionalen Zentren an. So soll eine flächendeckende, exzellente Gesundheitsversorgung gewährleistet werden.
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Wie integriert VitalAire VBHC?
Als Therapiepartner richten wir unser tägliches Handeln anhand eines patientenzentrierten und kollektiven Ansatzes aus. Unsere breit gefächerten Leistungen können optimal auf die individuellen Bedürfnisse unserer Patient*innen abgestimmt werden. Auf diese Weise entsteht eine Versorgung, die den Mehrwert der Behandlung in den Mittelpunkt stellt – was exakt dem VBHC-Ansatz entspricht.
Wir stehen sowohl Patient*innen und ihren Angehörigen als auch Partner*innen im Gesundheitswesen als Ansprechpartner zur Seite. Wir fungieren als Bindeglied und Mittler zwischen Patient*innen, Fachkräften und Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie Kostenträgern. Die kompetente Koordination zwischen allen Beteiligten steigert die Effektivität der Behandlung und ermöglicht unseren Patient*innen eine optimale Genesung.
Bei VitalAire ist uns die ambulante Patientenversorgung sehr wichtig. Durch unsere umfangreiche Anschlussversorgung können Therapiemaßnahmen, die eigentlich einen Klinikaufenthalt voraussetzen, zu Hause oder einer Pflegeeinrichtung durchgeführt werden. Eine Entlastung für das Gesundheitssystem und ein echter Mehrwert für alle Beteiligten.
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Unser Projekt zur Reduktion der Krankenhauseinweisungen
Ein gutes Beispiel für unser Engagement im Bereich Value-based Healthcare ist unser Projekt „Reduktion der Krankenhaustage der Patient*innen in den Intensivpflege-WGs von IC Home 24″. Gemeinsam mit der VitalAire Strategie-Abteilung haben die Kolleg*innen der außerklinischen Intensivpflege die Krankenhauseinweisungen unserer Bewohner*innen überprüft und einen Aktionsplan erstellt.
Das Ziel war es, unnötige Krankenhauseinweisungen durch eine optimierte Versorgung in den Wohngemeinschaften zu vermeiden. Mit einem beachtlichen Ergebnis: Bereits im ersten Quartal 2024 konnten wir die Krankenhauseinweisungen um 47 % reduzieren.
Dieses Projekt markiert einen wichtigen Meilenstein in unserer Transformation als Therapiepartner. In unseren WGs betreuen wir intensivpflegebedürftige Menschen, die rund um die Uhr auf die Hilfe unserer Pflegekräfte angewiesen sind. Viele unserer Bewohner*innen können sich aufgrund ihrer Erkrankungen nicht selbst äußern.
Eine Krankenhauseinweisung bedeutet für sie enormen Stress. Sie kommen in eine neue Umgebung, ohne vertraute Bezugsperson. Zudem werden ihre besonderen Bedürfnisse im stressigen Krankenhausalltag oft nicht ausreichend berücksichtigt.
Spannende Einblicke – Jeannine erzählt aus ihrem Alltag als Pflegedienstleisterin